Wir wissen, dass jede Kunst im weitesten Sinn politisch ist, im engsten dann Agitprop. Nach Adorno soll Kunst gar partout gesellschaftskritisch sein. Diesem Imperativ, so wichtig er auch sein mag, folgt jedoch keine Mehrheit von Kunstschaffenden, denn Zwang tut keiner Kunst gut.

Kunst hingegen ist notgedrungen immer gesellschaftsrelevant, denn auch Künstler/innnen bewegen sich nie im luftleeren weltabgewandten Raum. Orte des täglichen Geschehens können dabei Inspirationsquellen sein.

Mit der Serie „Zerrissene Welten“ setze ich den Fuss bewusst auf eine Erscheinungswelt, die sich vor allem Einwohnern von grossen Städten täglich und unübersehbar präsentiert. Es handelt sich um offizielle oder wild angeeignete öffentliche Mauern oder Wände, an denen Plakate angebracht, abgerissen, überklebt oder auch beschmiert werden.

Man darf erstaunt darüber sein, welch’ aesthetisches Potential in diesen zufällig entstandenen „Strassen-Collagen“ vorhanden ist, hinter denen keine künstlerische Absicht, sondern Werbeabsicht in irgendeiner Form steckt. Auch interessiert mich die Tatsache, dass an diesen „Werken“unter und mit verschiedensten Motiven und Motivationen viele Akteure einwirken, die sich meistens untereinander überhaupt nicht kennen. Solche Plakatwände sind das Resultat von Einzelinteressen mit kollektiver Wirkung. Plakate und Parolen heischen um öffentliche Aufmerksamkeit.

Die präsentierten Plakate stammen in ihrem Grundmaterial aus Grossstädten Europas inklusive Tunis als die Stadt, von der aus die Arabellion ihren Ursprung genommen hat. Ich habe diese als Unterlagen und Hintergründe benutzt, um aus ihnen einmalige Tafeln herzustellen. Mit meinem Eingriff, der sich auf die Fusion mit Sprache reduziert, wird dem Veränderungsprozess, der „draussen“ weitergeht, ein Einhalt geboten. Was sich auf den Strassenwänden weiter verändert, hat sich mit dem Einzug in eine Galerie/ein Museum auf die Ebene des Kunstguts bewegt, so wie das Durchamp anvisiert und für die Kunstgeschichte freigelegt hat. Die Parolen auf den neu entstandenen Plakaten bewegen sich zwischen Agitprop sowie metaphorischen und literarischen Bezeugungen.

Zwar meinte Adorno, dass „die Humanität der Kunst nicht gerade darin bestehe, dass sie versuche, die Menschheit mit Hilfe irgendwelcher Parolen zu erziehen“. * Meine Plakate beinhalten zwar Parolen, bezwecken jedoch keine erzieherische Absicht, sondern zielen lediglich auf inhaltliche aber auch formale Aufmerksamkeit.

* aus: Thea Dorn/Richard Wagner: „die deutsche Seele“, Seite 356.